NEUES BUCH-Das religiöse Alltagsleben von MuslimInnen in Österreich

Wien(yenivatan.at). Das religiöse Alltagsleben von MuslimInnen in Österreich ist weitaus vielfältiger als es der öffentliche Diskurs vermuten lässt. Zu dieser Erkenntnis kommt das mehrjährige Forschungsprojekt „Muslimische Milieus in Österreich“, das am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien unter der Leitung von Prof. Ednan Aslan (Universität Wien) und Prof. Erol Yildiz (Universität Innsbruck) seit 2012 durchgeführt wurde. Vorgestellt wird das Buch in Anwesenheit der drei Autoren am Mittwoch, den 07.06.2017, in der Alten Kapelle am Campus der Universität Wien.

Die Ergebnisse zeigt anderes Bild

In medialen und politischen Debatten in Österreich wird häufig der Eindruck vermittelt, bei der muslimischen Bevölkerung handle es sich um eine homogene Gruppe von hochreligiösen Gläubigen, die ihre Religion mehrheitlich auf dieselbe Art und Weise praktizieren würden. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen jedoch ein anderes Bild.

Die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung (ca. 80 %) nicht in Moscheeverbänden organisiert
Eine Besonderheit der Studie besteht darin, dass der Fokus nicht wie üblich auf religiöse Organisationen oder Moscheegemeinden gerichtet war. Vielmehr standen Formen des alltäglichen Umgangs mit Religion im Vordergrund, jenseits von Moscheeverbänden und religiösen Ideologien. Dieser Schwerpunkt ist deswegen so bedeutsam, da die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung (ca. 80 %) nicht in Moscheeverbänden organisiert ist, was erstaunlicherweise sowohl in wissenschaftlichen Untersuchungen als auch politischen Debatten kaum gebührende Beachtung findet. Damit rückt die Studie die alltägliche Glaubenspraxis jenseits islamischer Institutionen ins Blickfeld.

Was sagen zwei miteinander verknüpften empirischen Erhebungen ?

Die Untersuchung beruht auf zwei miteinander verknüpften empirischen Erhebungen. Dafür wurden zunächst in einem qualitativen Teil 70 MuslimInnen interviewt und weitere 650 Personen in einer quantitativen Phase mittels eines standardisierten Fragebogens befragt. Auf dieser Datenbasis konnten fünf verschiedene religiöse Praxisformen rekonstruiert werden, die sich in eine Bewahrende Religiosität, eine Pragmatische Religiosität, eine Offene Religiosität, eine Religiosität als kultureller Gewohnheit sowie eine Ungebundene Restreligiosität differenzieren lassen.

Ergebnis: „Muslimische Diversität. Ein Kompass zur religiösen Alltagspraxis in Österreich“

Das mehrjährige Forschungsprojekt wurde nun abgeschlossen mit einer Buchpublikation, die den Titel „Muslimische Diversität. Ein Kompass zur religiösen Alltagspraxis in Österreich“ trägt. Die Monografie widmet sich ausführlich den fünf rekonstruierten religiösen Praxisformen. Breiten Raum geben die Autoren Ednan Aslan, Jonas Kolb und Erol Yildiz darin den religiösen Selbstbildern, den praktizierten Umgangsformen mit religiösen Pflichten, den Zukunftsperspektiven der befragten MuslimInnen in Österreich sowie deren Haltungen zum Thema Politik/Staat/Religion. Dabei erfolgen die Analysen nicht über die Köpfe der Beteiligten hinweg, sondern diese kommen ausführlich zu Wort und beschreiben selbst in detaillierter und nachdrücklicher Weise ihre Umgangsformen mit dem Islam im Alltag.

Neu nachzudenken: Islamische Theologie im europäischen Kontext ?

Die Publikation bietet eine fundierte, versachlichte Grundlage dafür, das gelebte Spektrum muslimischen Lebens als ein konstitutives Element der Gesellschaft anzuerkennen und politische wie praktische Konsequenzen daraus zu ziehen. Auf dieser Basis nehmen die Autoren muslimische Diversität zum Ausgangspunkt, Integrationsprozesse und Integrationsmaßnahmen neu und differenzierter zu reflektieren. Darüber hinaus werden Ideen entwickelt, wie zukünftige migrationspolitische Maßnahmen konzipiert und religionspädagogische Angebote verbessert werden können. Die Autoren plädieren dafür, ausgehend von den religiösen Lebenswirklichkeiten der MuslimInnen, über eine islamische Theologie im europäischen Kontext neu nachzudenken.

Wie hat ein Säkularisierungsprozesst stattgefunden? 

“ Wenn über diese gesellschaftliche Gruppe gesprochen wird, wird meistens an Aktivisten gedacht, die Mitglieder von unterschiedlichen islamischen Verbänden sind. Laut Ednan Aslan wurde jedoch festgestellt, dass diese Gruppen- entgegen den Vorstellungen- nicht die Mehrheit der islamischen Bevölkerung in Österreich ausmachen. Um die Lebensart und die Denkweise dieser Gruppe zu erkennen, haben zwei Soziologen, sowie der Leiter des Instituts für Islamische Studien diese soziale Gemeinschaft untersucht.“  Die Presse“ berichtet in ihrem Artikel  über die österreichischen Muslime interessante Details.

Laut „Die Presse“ rückten zwei   bedeutsame Erkenntnisse in den Vordergrund, nämlich, dass unter den Muslimen ein Säkularisierungsprozess stattgefunden hat, andererseits aber auch eine große Bereitschaft für hochfundamentalistische Ansichten vorliegt.

„Die Presse“ schreibt, dass die befragten Muslime, die in ganz Österreich an unterschiedlichen alltäglichen Orten abgefragt wurden, in insgesamt fünf Gruppen eingeteilt werden können.

 

Kulturmuslime ?

Aus diesen fünf Gruppen können zwei als säkular bezeichnet werden. Eine Gruppe stellen dabei die sogenannten „Kulturmuslime“ dar, die Religiosität nur als kulturell verankerte Gepflogenheit lebt. Die andere Gruppe ist die sogenannte „ungebundene Restreligiöse“. Der prozentuelle Anteil dieser Gruppen liegt laut  bei 26,6% und 15%.

Ein größerer Teil der Befragten wird laut der Untersuchung als religiös eingestuft, auch wenn die Intensität der Religiosität dabei unterschiedlich intensiv ist. Die gläubigen Muslime können in 3 Gruppen kategorisiert werden. Die erste Gruppe sind die Konservativen- bei dieser Gemeinschaft genießt die Religion einen wesentlichen Stellenwert, das Leben wird nach de Prinzipien der Religiosität ausgerichtet. Zu dieser Gruppe gehören insgesamt 14,1% der Muslime.  In die zweite und größte Gruppe (26,9%) gehören die Muslime, die eine pragmatische Religiosität verfolgen, also für die Religion eine große Bedeutung hat, jedoch hat dabei Familie, Arbeit, und Privatleben Vorrang. Die dritte Gruppe unter der Gläubigen stellen mit 14,8% die offenen Religiösen dar. Diese Gruppe hält Religion auch für wichtig, diese wird aber eher individuell gelebt.

Fundemantalimus?
Laut des Artikels in der Presse war das überraschendste Ergebnis der Untersuchung, dass ein relativ großer Anteil (34,6%) an hochfundamentalistischen Ansichten unter den Muslimen präsent ist. Fundamentalismus bedeutet, dass nur die eigene Religion als recht und alle andere Religionen als unrecht gesehen werden- das bedeutet also eine Abwertung aller Glaubensrichtungen. Die konservativen Muslime fördern diese Ansicht zu 63,1%, während die ungebundenen nur zu 4,7% damit einverstanden sind. Jedoch kann laut „Die Presse“ aus dieser Untersuchung keiner Bereitschaft zur Gewalt gegenüber Nichtmuslimen herausgelesen werden.

Wegen Religiosität wird auch in anderen Lebensbereichen anders gedacht, beispielsweise finden ein Drittel der Befragten „sehr bedrohlich“, wenn das eigene Kind jemanden heiraten würde, der einer anderen Religion zugehört. So die Pressebericht!

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