Medien unter Beschuss:

Im Krieg und Frieden

Ein Seminar von Medienexperten am Arlberg widmete sich den neuen Bedrohungen der Medienfreiheit – vor allem durch den Krieg in der Ukraine.

Von Otmar Lahodynsky aus Lech am Arlberg

(c) Otmar Lahodynsky

Unter dem Titel „Zeitenwende- Unsere Welt im Ausnahmezustand“ widmete sich der 14.  Europäische Mediengipfel in Lech am Arlberg vom 21. bis 23. April den gerade für die Medienbranche dramatischen Folgen des Kriegs in der Ukraine und die gestiegenen Bedrohungen durch Desinformation und Fake News.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg warnte, dass es bei dem „Angriffskrieg Putins“ auch um einen Angriff auf das westliche Modell von Demokratie und persönliche Freiheiten gehe. Nur mehr ein Fünftel aller UN-Mitgliedsstaaten fühle sich den westlichen Grundwerten zugehörig, darunter die EU-Länder, die USA, Kanada, Australien, Japan und Israel.

Vor allem die Russische Föderation und China verfolgten einen autoritären Kurs, der individuelle Freiheiten weitgehend abgeschafft habe. Putin habe seit seiner Machtübernahme im Jahr 2000, als die EU ihm Kooperation und auch „Wandel durch Handel“ angeboten und auf Stärkung der russischen Zivilgesellschaft gesetzt habe, sein eigenes Modell zur Ausweitung der russischen Einflusssphäre und Einschränkung der Demokratie entwickelt. Schallenberg verteidigte die Position Österreichs, Deutschlands und weiterer EU-Staaten, Erdgas und Erdöl von Russland zu beziehen. Man hätte aber spätestens nach Putins Angliederung der Krim 2014 und der Unterstützung der Separatisten im Donbass die wahren Absichten Putins erkennen müssen.

Die EU habe aber nach dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine große Einigkeit bewiesen und „das 5. und schärfste Sanktionspaket“ gegen Russland beschlossen, das weit über die Sanktionen gegen den Iran hinausreiche.

Jetzt sei es richtig, dass die EU eine verstärkte militärische Kooperation aufbaue, wie sie ja schon in den Fünfziger Jahren geplant, aber von Frankreich verhindert worden sei. Österreich werde als neutraler Staat daran mitwirken, aber nicht einem Militärbündnis beitreten. „Putin hat alle seine Ziele verfehlt: Er hat alle europäischen Partner gegen sich aufgebracht. Schweden und Finnland überlegen einen Beitritt zur Nato.“ Auch nach einem Ende des Kriegs in der Ukraine werde es im Verhältnis der EU zu Russland keine „Rückkehr zum Status pro ante“ mehr geben. Aber man werde natürlich Dialogkanäle brauchen.

Beim „14. Mediengipfel“ in Lech am Arlberg verursachte Außenminister Alexander Schallenberg mit seinen Aussagen zu einem EU-Beitritt zur Ukraine negative Reaktionen in Kiew. Befragt zu einer raschen Aufnahme der Ukraine in die EU wies Schallenberg auf „maßgeschneiderte Angebote der engstmöglichen Anbindung der Ukraine“ an die EU hin, die „nicht unbedingt über eine Vollmitgliedschaft laufen müssen“.

Schallenberg betonte,  dass die EU nicht auf  die Länder des Westbalkans vergessen dürfe. Länder wie Nord-Mazedonien, Albanien oder Serbien würden schon seit Jahren auf die Aufnahme von Beitrittsgesprächen warten.

Für die Ukraine, Georgien oder Moldau sollte die EU daher die Teilnahme am Binnenmarkt (ähnlich wie beim EWR) oder die gleichberechtigte Teilnahme an Arbeitsgruppen -(etwa zu Energie oder Verkehr) ermöglichen. Da könnte die Ukraine dann schon mitentscheiden wie ein Mitglied. Schallenberg äußerte auch Zweifel, ob etwa die Gemeinsame EU-Agrarpolitik bei Aufnahme der Ukraine noch wie jetzt fortgeführt werden könnte.

Russische und ukrainische Medien interpretierten das als Veto Wiens zu einem ukrainischen EU-Beitritt, aus Kiew kam deutliche Kritik. Österreich bremse beim EU-Beitritt der Ukraine, weil die Regierung in Wien um die russischen Gaslieferungen besorgt sei.  Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, erklärte, dass die EU die neuen Bedrohungen nur gemeinsam bewältigen könne. „Wir müssen unsere europäischen Werte künftig entschlossener verteidigen. Es braucht eine stärkere Kooperation der EU-Länder anstatt Doppelgleisigkeiten, auch bei der militärischen Zusammenarbeit.“

In einer Debatte über „Medien zwischen Fake und Fakten“ verwies die stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“, Alexandra Föderl-Schmid auf eine Zunahme von Einschüchterungsversuchen von russischen Diplomaten nach kritischen Artikeln über russische Massaker in der Ukraine. Ich verwies auf das gerechtfertigte und von der EU-Kommission verfügte Verbreitungsverbot von russischen TV-Sendern wie „Russia Today“, die nur Kriegspropaganda verbreiteten. Dies habe mit Medienfreiheit nichts zu tun.

Die Gegenwehr der EU durch das Portal „EUvsDisinfo“ zeigt schon seit Jahren gezielt russische Desinformation auf. So würden derzeit Putins Trolle „Wikipedia“-Artikel von seinen Kritikern im Westen verfälschen. Da mehr als 80 Prozent der Russen durch staatliche Medien so beeinflusst wurden, dass sie Lügen über angeblichen Völkermord an Russen in der Ostukraine glauben, wäre ein unabhängiges Medium, das unabhängige Berichte an Russland leitet, erstrebenswert.

Auch die negative Rolle von „social Media“, die über Mikrotargeting – etwa durch Cambridge Analytica“ den Ausgang des Brexit-Referendums beeinflussten, wurde angesprochen. Durch ein Absaugen von Inseraten seien vor allem Qualitätsmedien finanzielle Ressourcen entzogen worden. Journalisten forderten mehr Anstrengungen zur Förderung von „Media literacy“ an Schulen, auch durch ein eigenes Fach Medienkunde, damit Jugendliche Fakten von Fake unterscheiden lernen.

Insgesamt würden aber Qualitätsmedien an Bedeutung zunehmen, bereits durch die Pandemie und jetzt durch den Krieg in der Ukraine, so der Tenor bei den Panels an den drei Veranstaltungstagen.

Infos zum Mediengipfel:

Die Paneldiskussionen sind auf www.mediengipfel.at nachzuhören/sehen.

Link zur APA-Fotodatenbank für Freitagabend: 14. Europäischer Mediengipfel Lech am Arlberg I Lech Zürs Tourismus GmbH I APA-Fotoservice

Link zur APA-Fotodatenbank für Samstag: 14. Europäischer Mediengipfel Lech am Arlberg I Lech Zürs Tourismus GmbH I APA-Fotoservice

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