„Frankreich hat nicht ‚Nein‘, sondern ‚Moment!‘ gesagt“

Pressefrühstück mit dem französischen Botschafter  in Wien

Pressefrühstück mit dem französischen Botschafter  in Wien

WIEN . Wenn der französische Botschafter,  François Saint-Paul, ein Pressefrühstück gibt, dann ist das Interesse groß. Diesmal ist die Einladung ins Botschafts-Palais exklusiv für die österreichische Vereinigung der Europäischen Journalisten (AEJ) gedacht. Das Palais ist eine Hommage an den Wiener Jugendstil im Stil des Art Nouveau  und wurde zwischen 1904 und 1912 gebaut.  An der Außenfassade befindet sich eine Darstellung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit von Hippolyte Lefebvre.  Die Journalisten sind in den Speisesaal im 2.Stock eingeladen. Ein Bericht von Brigitte Rambossek und Eva Pfisterer

 

Regierungsbildung: Chapeau für Österreich

 Mit einem „Chapeau“ für Österreich bewertet der französische Botschafter die jüngste Regierungsbildung. Österreich habe nach der politischen Krise des Vorjahres gezeigt, wie Demokratie funktioniere. Zuerst habe es Wahlen gegeben – die Europa-Wahlen, dann nationale Wahlen. Dann höre man nichts, wisse nur,  dass verhandelt wird. In drei Gruppen und 33 Untergruppen. „Am Ende steigt weißer Rauch auf, wie im Vatikan.“  Statt der erwarteten „braunen Welle“ gebe es nun in Europa „die grüne Welle“. Der Unterschied: „Braun“ stehe für die Abschaffung der Gesellschaft und des Konsenses und die Ablehnung des Dialogs. „Grün“ für mehr Maßnahmen für den Klimaschutz, stehe für mehr Kraft, Geld und Energie, Europas Werte zu schützen. Sie seien nicht mehr „Schreckgespenst“, sondern in mehreren Regierungen in Europa vertreten. Mit Interesse erwarte er die Kommunalwahlen in Frankreich im März, bei denen die Grünen vermutlich in den Städten „überraschen werden“, so Saint-Paul vor den heimischen Europa-Journalisten (AEJ) wo auch Yeni Vatan Gazetesi-Neue Heimat Zeitung Mitglied ist.

 

 

Macron – Vision für Europa auf allen Feldern

Was haben die von Präsident Emmanuel Macron geforderten Reformen für Europa bisher gebracht? Botschafter François Saint-Paul spricht von einer „Vision für Europa auf allen Feldern“, die der Präsident in seiner Sorbonne-Rede 2017 entwickelt hat. Macron sei Präsident geworden, ohne das Thema Europa zu vermeiden. Die Debatte mit ihm habe sich für Präsidentschafts-Kandidatin Le Pen als „katastrophal“ erwiesen. Seither gebe es in Frankreich Reformen und die Schwierigkeiten zu reformieren. Bei Arbeit, bei Bildung, bei Pensionen. Die Schwierigkeiten lägen im Wesen der Franzosen, stets unzufrieden zu sein. „Würden die Franzosen Gott wählen und Sie machen nach zwei Monaten eine Umfrage, sie wären unzufrieden. Wir haben unsere Widersprüche, wie alle Länder.“ Die Popularität Macrons sei durch die Proteste nicht geschwächt. Frankreich habe den 1.Platz beim Wachstum und die Arbeitslosigkeit sinke. In Europa seien 50 % seiner Vorschläge schon Realität geworden. Die EU-Verträge sollten angepasst werden.

 

Beitritte:  „Frankreich hat nicht ‚Nein‘, sondern ‚Moment!‘ gesagt

 „Wir brauchen eine Veränderung der Beitritts-Methode“, sagt der französische Botschafter. Bei der Haltung zu Albanien und Nord-Mazedonien werde immer wieder von einem Veto Frankreichs gesprochen. Das stimme nicht: Frankreich habe nicht ‚Nein‘, sondern ‚Moment!‘ gesagt. Die EU-Kommission erarbeite nun Vorschläge, die dem Rat bald präsentiert würden. Beide Länder könnten „sehr, sehr leicht“ in die EU kommen. Er glaube, die Krise befinde sich auf dem Weg vorbei zu sein. Bei Erweiterungen in der Vergangenheit sieht er EU-Fehler,  indem sie zu wenig Unterstützung angeboten habe. Sein Beispiel anhand der Gelder für die Beitrittsländer: Wenn man jemandem mit Geld ausstattet, um ein Spital zu bauen, ihm aber nicht zeigt, wie man ein Spital baut, kann das nicht funktionieren.

 „Hirntod der NATO?“ –  Europa soll autonom handeln

Angesprochen auf die Aussage Macrons über den „Hirntod der NATO“,  die Anfang Dezember letzten Jahres kurz vor dem 70- jährigen Jubiläum der NATO im „Economist“ zitiert wurde, sieht der französische Botschafter zumindest die Gleichheit zwischen den USA und Europa verletzt. Auch wenn die Franzosen die von den USA geforderten  Ausgaben für die Allianz in Höhe  von 2 Prozent des BIP 2024 erreichen werden, so sieht François Saint- Paul diese 2 Prozent als einen Export von Arbeitsplätzen und einen  Import von Waffen. Denn die Rüstung werde nicht in Frankreich produziert. Saint-Paul: „Wir finanzieren mit unseren Beiträgen das Wachstum der USA.“

Er glaube auch nicht, dass man langfristig Verteidigungspolitik machen kann, ohne selbst die Waffen zu produzieren. Frankreich habe sich damals für den Airbus entschieden und heute profitieren alle Mitgliedsländer davon.  Natürlich, sagt Saint-Paul, haben wir „gemeinsame Interessen, Werte und gemeinsame Herausforderungen. Aber wollen wir den Schlüssel zur Verteidigung Europas an die NATO abgeben?“

„Wir sind nicht gegen die NATO, versichert der französische Botschafter, Europa sollte nur „gemeinsam und autonom handeln können.“ So wie Macron, der von den NATO- Mitgliedern geklärt haben wollte, ‚wer überhaupt der gemeinsame Feind ist‘, so will sein Vertreter in Wien wissen, wie die neuen Bedrohungen und neuen Risiken bewältigt werden sollen. Denn, so Saint-Paul, die neuen Bedrohungen werden digital sein.

 

Migration:  Herkunftsländer stabilisieren

Vor den heimischen Europa-Journalisten tritt der französische Botschafter dafür ein, bei der Migration die Herkunftsländer zu stabilisieren. Man könne nicht sagen, man befürworte die Grenzschutz-Agentur Frontex, „aber Afrika ist nicht mein Job“. Die Fluchtbewegungen des Jahres 2015 „waren nur eine Überraschung für die, die überrascht werden wollten“.

 

 

(Fotos: Französische Botschaft in Wien, Brigitte Rambossek, Eva Pfisterer )

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