Wiener Integrationsrat: „Zugang zu Staatsbürgerschaft massiv erleichtern“

Migrationsforscher und Ratsmitglied Rainer Bauböck bemängelt, dass die Demokratie durch das Gesetz weniger repräsentativ sei. Das restriktive Gesetz verursacht laut dem Rat ein "Demokratiedefizit". Mehr als ein Drittel der Wiener Bevölkerung sei vom Wahlrecht ausgeschlossen

Wien. Dem Wiener Integrationsrat ist das restriktive Staatsbürgerschaftsgesetz ein Dorn im Auge. Das von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) ins Leben gerufene Gremium macht ein Demokratiedefizit aus und kritisiert, dass mehr als ein Drittel der Wiener Wohnbevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. Es fordert etwa, hier geborenen Kindern automatisch die Staatsbürgerschaft zu erteilen, sofern sich ein Elternteil bereits fünf Jahre rechtmäßig in Österreich aufhält. In den letzten 20 Jahren sei die Einbürgerungsrate in Wien trotz des Bevölkerungswachstums durch Zuwanderung im europäischen Vergleich stark gesunken. Für eine Einbürgerung werden in Österreich unter anderem zehn Jahre rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt und der Nachweis hoher finanzieller Mittel – ein hinreichend gesicherter Lebensunterhalt – gefordert. Der Integrationsrat fordert, Aufenthaltsfristen zu verkürzen, Einkommenshürden zu senken und Doppelstaatsbürgerschaften zu akzeptieren. In Wien fordert er unter anderem mehr Ressourcen für die Abteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (MA 35), was zu effizienteren und transparenteren Verfahren führen soll.

Raab lehnt Forderung ab

Die Demokratie sei durch das restriktive Gesetz weniger repräsentativ, bemängelte Ratsmitglied und Migrationsforscher Rainer Bauböck in einer Aussendung: „Jüngere, einkommensschwächere und städtische Bevölkerungsgruppen haben nicht das politische Gewicht, das ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht. Wien hat zwar mehr Einwohner*innen als Niederösterreich, aber weniger Sitze im Parlament, weil die Sitzverteilung von der Zahl der Staatsbürger*innen abhängt.“

Die derzeitige Lage erschwere außerdem den Integrationsprozess. Denn „Einbürgerung wirkt als Katalysator für soziale Integration und geht mit einem höheren Einkommen, weniger Arbeitslosigkeit, verbesserten Wohnverhältnissen und besseren Bildungschancen für Kinder einher“, so Integrationsratsmitglied und Politikwissenschafter Gerd Valchars. Die Bedingungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft würden für viele Betroffene „hohe, zum Teil unüberwindbare Hürden“ darstellen. „Das Staatsbürgerschaftsgesetz ist nicht mehr zeitgemäß und führt zu unglaublichen Verzögerungen in der Antragsbearbeitung“, so auch Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Wiederkehr.

,,Grüner Daumen hoch“: Sieger:innen Burgenland und Salzburg

Kirschkernkissen und Bienenwachstücher im Burgenland. Ein Pflanzkisterl, mit dem Volksschulkindern spielerisch Wissen vermittelt wird, in Salzburg: Spannende unternehmerische Ideen haben bei den beiden Junior-Company-Landeswettbewerben das Rennen gemacht.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) lehnt die Forderungen nach einem „leichteren und automatischen Erhalt“ der Staatsbürgerschaft ab. Diese sei ein „hohes Gut“ und „aus guten Gründen an längeren Aufenthalt, Erfordernisse in der Integration und die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit geknüpft“, sagte sie in einem Statement. In einem Aufweichen sieht sie eine Gefahr für den Sozialstaat und neue Migrationsströme. Integrationsprobleme würden sich nicht in Luft auflösen, indem man Menschen die Staatsbürgerschaft verleihe, forderte Raab die Stadt Wien auf, „die Augen zu öffnen, die Integrationsthemen offen anzusprechen und in den Bezirken endlich zu handeln“.

Freiheitliche orten „Provokation“

Diese Einschätzung teilt auch Wiens ÖVP-Obmann Karl Mahrer. „Am Staatsbürgerschaftsrecht darf nicht gerüttelt werden“, pochte er in einer Presseaussendung. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft solle „der Abschluss eines gelungenen Integrationsprozesses sein und nicht der Anfang.“ ÖVP-Wien-Integrationssprecherin Caroline Hungerländer fordert zunächst Datensicherheit. Denn die Stadt habe „bis heute keine Ahnung, wie viele Personen die Staatsbürgerschaft eigentlich schon beantragen könnten und warum sie es dennoch nicht tun“.

Auch die Freiheitlichen vertreten diese Linie. Der Wiener Landeschef Dominik Nepp sah nach den türkischen Feiern in Favoriten nach der Präsidentschaftswahl in der Türkei die Forderung nach leichterem Zugang zur Staatsbürgerschaft als eine „Provokation der Sonderklasse“. Offenbar versuchten SPÖ und Neos mit der Einbürgerung „von integrationsunwilligen und kriminellen Sozialmigranten billige Wählerstimmen zu lukrieren“. Die FPÖ fordert ein Aussetzen der Staatsbürgerschaftsvergabe für Nichteuropäer. (APA, 31.5.2023)

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