
Die letzten Nomaden – Stimmen aus der mongolischen Steppe im Herzen Wiens
Ein Abend, an dem sich die Stimmen der Steppe mit dem Herzen Wiens verbanden: Die letzten Nomaden – eine literarische Reise, die erstmals Gäste aus der Mongolei nach Wien führte.
von Perihan Mansur, Wien, 14.11.2025, Neue Heimat Zeitung ( Yeni Vatan Gazetesi)
Mit der Vorstellung des Buches Die letzten Nomaden setzte der Verband der Auslandspresse in Wien am13. November 2025 ein bemerkenswertes kulturelles Zeichen. Die Präsentation unweit des österreichischen Parlaments wurde durch die erstmalige Teilnahme offizieller Gäste aus der Mongolei zu einem historischen Moment des internationalen Austauschs.


Unter den Gästen befanden sich Vertreter der Mongolischen Botschaft in Wien, das Filmteam von Ergelt MN Film sowie Mungunchimeg Batmunkh, die Österreich-Korrespondentin der Mongolischen Nationalen Fernsehanstalt und langjähriges Mitglied des Verbandes. Sie begleitete die Präsentation mit Übersetzungen und kulturellen Einordnungen und verlieh der Veranstaltung zusätzliche inhaltliche Tiefe. Schon früh zeigte sich, dass dieser Abend weit über eine Buchpräsentation hinausging: Er wurde zu einer seltenen kulturellen Begegnung, die Wien mit den Stimmen der Steppe in Dialog brachte.


Die letzten Nomaden – Begegnung zwischen Tradition und Moderne
Verleger Birol Kiliç, ehemaliges Vorstandsmitglied und Generalsekretär des Verbandes, begrüßte die Gäste im Namen der Auslandspresse und hob die besondere Bedeutung des Abends hervor.
Er betonte die Freude darüber, erstmals die Exzellenzen der Mongolischen Botschaft beim Verband willkommen heißen zu dürfen und dankte dem Team von Ergelt MN Film sowie den mongolischen Gästen für ihre Unterstützung bei der englischen Ausgabe des Buches. Kiliç erinnerte daran, dass der Verband kurz vor seinem 80-jährigen Jubiläum stehe, und bezeichnete den gezeigten Film als ein Werk, das weit über ein ethnografisches Dokument hinausreiche. Er sei ein literarisches Mosaik, das die ursprüngliche Beziehung des Menschen zur Natur sichtbar mache und zeige, dass wahre Freiheit nicht im Besitz, sondern in der Verbundenheit mit Erde, Himmel und Tier liege. Die mongolischen Nomaden verkörperten eine Lebensweise, die Geduld, Mut und Mitgefühl erfordere – Werte, die in der modernen Welt zunehmend an Bedeutung verlieren. Nach rund 35 Jahren Mitgliedschaft im Verband, so Kiliç, sei es für ihn besonders bewegend, erstmals Gäste aus der Mongolei begrüßen zu dürfen und diesen außergewöhnlichen kulturellen Austausch filmisch wie literarisch dokumentieren zu können.
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Eine musikalische Darbietung: Die Pferdekopfgeige
Den Auftakt bildete der Auftritt einer Künstlerin in traditioneller mongolischer Tracht, die die Morin Huur, die Pferdekopfgeige und ein zentrales Symbol der mongolischen Nation, spielte. Das Instrument, das seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, erfüllte den Saal mit Klängen, die die Zuhörer atmosphärisch in die Weiten der Steppe führten und dem Abend eine besondere spirituelle Note verliehen.

Thematische Vielfalt des Buches
Das Buch Die letzten Nomaden gliedert sich in literarisch betitelte Kapitel, die das Leben in der mongolischen Steppe aus verschiedenen Perspektiven beleuchten:
• „Forty years carrying salt“ – das harte Leben eines Salzträgers
• „The camel caravan journey…“ – eine epische Reise durch die Wüste
• „The school’s stoker“ und „The school’s worker“ – Porträts einfacher Menschen mit großer Würde
• „The hunter who made friends with an eagle“ – die spirituelle Verbindung zwischen Mensch und Tier
• „The puzzle found in grandmother’s chest“ – Erinnerungen und kulturelle Erbschaften
• „The doctor who breathed second life…“ – eine bewegende medizinische Geschichte
• „The man who sees beyond two kilometers“ – Weitsicht und Weisheit in der Einsamkeit der Gobi
Diese Vielfalt zeigt: Das Werk verfolgt bewusst keine lineare Erzählung, sondern schafft ein Panorama menschlicher Erfahrung.

Philosophische Dimension des Werkes
Die letzten Nomaden präsentiert sich nicht nur als ethnografisches Dokument, sondern als ein literarisches Mosaik, das die Beziehung des Menschen zur Natur in den Mittelpunkt stellt. Die erzählten Geschichten machen deutlich, dass wahre Freiheit nicht im Besitz zu finden ist, sondern in der Verbundenheit mit Erde, Himmel und Tier. Die mongolischen Nomaden verkörpern eine Lebensweise, die Geduld, Mut und Mitgefühl voraussetzt – Tugenden, die in einer zunehmend urbanisierten und beschleunigten Welt immer seltener werden.
Die Vision des Initiators des Buches Enkhbaatar Khurelbaatar
Die Vision des Initiators, des vielfach ausgezeichneten Journalisten Enkhbaatar Khurelbaatar, verleiht dem Buch seine besondere inhaltliche Tiefe. Khurelbaatar, geboren im Erdenesaant Soum der Provinz Töv, ist Gründer und Chefredakteur der Plattform Ergelt.mn. Nach seinem Schulabschluss im Jahr 2005 studierte er Journalismus am „Ikh Mongol“-College und absolvierte anschließend Masterstudiengänge in Journalismus und Rechtswissenschaften am „Mongol Global“-College. Seit seinem beruflichen Einstieg im Jahr 2007 bei der Zeitung Ningmin Toli arbeitete er unter anderem für Udriin Sonin und Unuudur, war Chefredakteur der Tageszeitung Undesnii Shuudan und zählt heute zu den prägenden Stimmen des mongolischen Medienraums. Für seine journalistische Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den „Baldorj Grand Prix“ für investigative Berichterstattung, den Essaypreis von Odriin Sonin, den „Crystal Pen“- und den „Steel Pen“-Preis des Mongolischen Journalistenverbands sowie 2021 die Staatsauszeichnung „Order of the Polar Star“.

In seiner Rede erklärte Khurelbaatar, dass das Buch anlässlich des fünften Jubiläums von Ergelt.mn entstanden sei und das Ziel verfolge, das kulturelle Erbe der mongolischen Nomaden in bedeutenden Bibliotheken weltweit sichtbar zu machen. Er eröffnete seine Ausführungen mit einem Bild, das an die Wärme und Intimität ländlicher Lebenswelten erinnerte und die Zuhörer dazu einlud, sich von den Klängen der Morin Huur in ihre eigene Kindheit zurückversetzen zu lassen. Besonders eindrucksvoll waren seine Schilderungen über einen Arzt, der ein erfrorenes Kind rettete, über einen Forscher, der ein unbekanntes Insekt entdeckte, das Hoffnung im Kampf gegen den Krebs bietet, und über einen Jäger, der einen Angriff eines mystischen Wesens überlebte und mit mehr als zweihundert Stichen genäht werden musste. Khurelbaatar schloss mit dem Wunsch, dass der Segen dieses Buches weit und tief wirken möge.

Resonanz
Nach der Präsentation lud die Mongolische Botschaft zu einem Empfang mit traditionellen Speisen und Getränken ein. Die Gäste nutzten die Gelegenheit, das Buch signieren zu lassen und mit den Autorinnen, Autoren und dem Filmteam ins Gespräch zu kommen. Der Abend fand in einer Atmosphäre von Würde, Erinnerung und kultureller Tiefe seinen Abschluss und verwandelte Wien für einen Moment in ein Tor zur Steppe, von wo die Stimmen der letzten Nomaden weit über den Saal hinaus nachklangen. (yenivatan.at, Perihan Mansur, Neue Heimat Zeitung(Yeni Vatan Gazetesi), 14.11.2025)




